Mal was zum Schmunzeln: Regeln für eine schlechte Hausautomation

Hallo liebes Forum,

Ich langeweile mich zur Zeit ein bisschen weil mein IPS seit etwa einer Woche abgeraucht ist (Dienst stürzt beim Starten ab) und ich nicht programmieren kann :-/

Daher habe ich meine überschüssige Schaffenskraft heute mal in kreativer Form kanalisiert mit diesem sicherlich sehr hilfreichen Guide:

„Regeln für eine schlechte Hausautomation“

Es handelt sich um eine Aufzählung wertvoller Ratschläge, die man auf dem Weg zur richtig schlechten und garantiert bei allen Opf… äh, Benutzern unbeliebten Hausautomation dringend beherzigen sollte. Also, los geht’s:

  1. Schnell mal drauflos automatisieren!

Seien wir ehrlich: Nichts ist langweiliger als graue Theorie. Das gilt auch bei der Hausautomation. Was brauchst du langwierige Überlegungen, umfangreiche Pläne, Skizzen und Aufzeichnungen im Vorfeld, wo du dir doch bereits alles ganz plastisch vorstellen kannst und der beste Plan sowieso der in deinem Kopf ist? Wozu sollst du dich in irgendwelchen Foren herumtreiben und Beiträge lesen die dich gar nicht direkt betreffen? Es steht doch alles was du wissen musst schon auf den Herstellerseiten. Also nicht lange fackeln, einfach mal was vielversprechendes bestellen, und dann frisch und fröhlich ans Werk!

Du hast z.B. in einer Werbeanzeige ein tolles System gesehen, mit dem sich alle möglichen Geräte problemlos per Funk vernetzen lassen sollen? Klasse, genau was du brauchst! Der Hersteller preist die beeindruckenden Vorzüge seines Systems an: Alles ohne Kabel. Sagenhafte 100 Meter Reichweite („Freifeld?“ Was auch immer das bedeuten soll…). Kinderleichte Bedienung, sogar der Hund auf dem Foto sieht ganz begeistert aus. Und natürlich auch irgendwas von wegen iPhone, Twitter, Cloud Computing oder so ähnlich. Vor allem aber ist der ganze Spaß auch noch herrlich billig in der Anschaffung! Supi, gleich zuschlagen und einbauen.

Ja, ein paar Miesmacher wollen dir natürlich im Forum erzählen, dass besagtes System gar nicht so zuverlässig arbeitet, jede Menge Macken hat und die Reichweite fast immer zum Problem wird. Die sind aber bestimmt nur neidisch auf dich. Du Schlaufuchs bekommst ja das gleiche was die anderen für teures Geld gekauft haben, aber zu einem Bruchteil des Preises! Kein Wunder dass die sich nun grämen und dir dein Supersystem schlecht reden wollen.

Aber du bist unbelehr… ähm, ich meine unbeirrbar, und setzt auf dan Hersteller mit dem tollen Marketing und den niedrigsten Preisen. Immer eine gute Wahl!

Da du dir lästige Planungen vorab erspart hast, kannst du auch bei der Programmierung sofort drauflos"hacken". Dur wirst bald die unbestreitbaren Vorzüge eines organisch gewachsenen Systems schätzen lernen. In puncto Wartbarkeit, Skalier- und Erweiterbarkeit hast du die Nase mindestens zwei Wochen lang vorn!

  1. Sei schlau und überlasse das Denken den Maschinen

Nichts ist intelligenter als ein Skript. Daher sollte deine Automation von Anfang an möglichst viele Entscheidungen für dich, und noch wichtiger, für die übrigen Familienmitglieder treffen. Als Entscheidungsgrundlage genügen ein paar salopp hincodierte IF-Abfragen in denen du die Daten deiner billigen, fehleranfälligen Sensoren auswertest.

Beispielsweise sollte ein Dämmerungsschalter aus dem Baumarkt doch am besten wissen, wann jemand in der Küche, am Schreibtisch oder auf dem Gästeklo Licht braucht und wann nicht. Es kommt immer Freude auf, wenn im Haus dauernd irgendwelche Leuchten ohne erkennbaren Grund an und aus gehen, weil sich draußen ein paar Wolken vor die Sonne geschoben haben. Falls sich jemand beschwert, ändere einfach die Schwellwerte, so lange bis die Beschwerden aufhören. „Trockenübungen“ in denen du nur zum Test einen Sensor auswertest und z.B. das Ergebnis protokollierst, sind todlangweilig und haben noch niemanden beeindruckt. Verzichte darauf und gehe immer gleich „live“. Deine Familie wird begeistert sein!

  1. Keep it complex!

Eine komplexe Hausautomation verfügt natürlich über nicht minder komplexe Interfaces. Hier bietet es sich an, möglichst viel „Intelligenz“ in jedes Bedienelement zu stecken, um nicht eingeweihte Bediener gezielt abzuschrecken. Merke: Wer sich nicht traut, irgendwelche Knöpfe zu drücken, der wird auch nichts kaputt machen. Und du bist sowieso der einzige, der das System verstehen sollte. Wenn du mal nicht da bist und irgendetwas schief läuft (was nie passieren wird, denn du hast ja alles richtig gemacht), dann bietet sich eine Ferndiagnose per Mobiltelefon an. Nichts macht mehr Spaß, als beim Fahren auf der Autobahn per Telefon der Ehefrau daheim zu erklären welches Gerät sie aus- und wieder einstecken, welchen Lichtschalter sie mindestens 2 Sekunden lang gedrückt halten und welches Untermenü auf dem Touchscreen sie ansteuern muss, um den Fernseher dann doch gerade noch rechtzeitig zum Abspann ihrer Lieblingsserie eingeschaltet zu bekommen.

Aber nicht nur deine Familie, auch Gäste werden sich sehr über den dreifach belegten Lichttaster im Flur freuen, bei dessen falscher Bedienung sich das Radio einschaltet und der Staubsaugerroboter losfährt.

  1. Do…ku….men….ta…tion?

Mal ehrlich, wer schreibt denn eine Doku für etwas so simples wie ein aus zig vernetzten, wenngleich ursprünglich nicht füreinander bestimmten Komponenten bestehende Hausautomation? Der Touchscreen in der Küche, mit seinen intuitiv beschrifteten Anzeigen wie „L.Stat.“, „VlfTmp“ und „Aux3HDMI“ wird sich jedem Benutzer selbst erklären.

Die acht Lichttaster im Wohnzimmer hast du ja sogar eigens mit optisch ansprechenden, wenngleich mit der Zeit etwas abgegrabbelt aussehenden Klebezetteln beschriftet. Bei „Kino 1, Kino 2, Tisch / Aus, Lesen, Lesen Sofa, Party, Alles Aus, Stehleuchte“ wird wohl jedem schnell klar werden, welches die richtige Taste ist um das Deckenlicht einzuschalten - richtig, es ist die Taste „Kino 2“. Wenn man sie länger gedrückt hält.

Doch am allerwenigsten von allen wirst du selbst eine Dokumentation benötigen. Besonders deine Skripte von vor sechs Monaten wirst du problemlos auf einen Blick wieder nachvollziehen können. Kommentare und sprechende Variablennamen sind für Anfänger.

  1. Sei ein Spinner!

Der oft kolportierte Wife-Acceptance-Factor, kurz WAF sollte dir möglichst egal sein, denn schließlich machst du deine Installation ja nicht für deine Frau, oder sonstwen außer dir selbst. Es ist nunmal ein Hobby, wie eine Modellbahn auf dem Dachboden. Bei der interessiert auch niemanden der „WAF“.

Wobei natürlich durchaus verlangt werden darf, dass man dir dankbar ist für den steten Innovationsgeist mit dem du Highlights wie den Barcodescanner im Kühlschrank, den Toaster mit Webinterface und die knallbunte LED-Beleuchtung der Fassade eingeführt hast. Niemand stelle sich diesen unbestreitbar fortschrittlichen und praktischen Technologien in den Weg, denn jeden Liter Milch per Barcodescan ins System einchecken zu müssen ist keineswegs eine umständliche, nutzlose Spinnerei. Es ist die Zukunft, schon heute in deinem Hause! Ermahne also jedes deiner Kinder, das im Eifer des Gefechts vergisst, den konsumierten Becher Joghurt ordnungsgemäß als „verbraucht“ wieder auszuchecken!

Auch muss deine raffinierte Technik sich selbstverständlich nicht schüchtern verstecken oder auch nur im Hintergrund halten. Kabelstränge im Wohnbereich, graue Verteilerkästen und blinkende Gerätchen im Schlafzimmer werten die Räume optisch auf und bieten einen attraktiven Blickfang der jedes Technikerherz höher schlagen lässt. Eine NAS mit lautem Lüfter gehört ebenso zum Wohnidyll wie ein krächzender Lautsprecher in der Küche, der bei Unwetterwarnungen des DWD alle fünf Minuten mit monotoner Roboterstimme eine Durchsage macht.

Stelle dir bei keiner neuen technischen Spielerei die Sinnfrage. Erst recht solltest du auf Kosten-/Nutzen-Abschätzungen verzichten. Sowas desillusioniert dich doch nur und macht einfach keinen Spaß. Dass der Staubsaugerroboter dich mehr Geld kostet als eine Putzfrau und dessen Integration noch mal so viel deiner Zeit in Anspruch nimmt, dass du auch gleich selbst hättest saugen können - es sei dir verdammt nochmal egal! Wo kämen wir denn hin wenn uns das ein Hindernis wäre?

Wie heißt es in gelegentlich so schön:

You made my Day“ :D.

Und es ist auch noch so schön wahr (zumindest so ungefähr in unserem Fall) :rolleyes:.

Danke & Gruß
Thorsten

Ja, das meiste beruht tatsächlich auf wahren Begebenheiten. Manches auch Dinge die ich bei anderen gehört oder gesehen habe, aber ich möchte mich keineswegs davon ausnehmen. Bei mir haben wirklich schon Gäste versehentlich mal den Roomba aus seinem Versteck geholt beim Versuch, das Licht im Flur einzuschalten… aber man lernt ja aus seinen Fehlern. :wink:

Habe mich übrigens ein wenig hiervon inspirieren lassen.

:o Ups, erwischt. Wir sind schon ne eigene Spezies.

Nach dem Lachen ist mein Tag gerettet und morgen geht es weiter wie bisher. Immer mit der Hoffnung, dass der realistisch zu erwartende worst case nicht eintritt. Aber ich weiß es. Der Tag wird kommen und die Frau setzt das Ultimatum. :p:p

@sokkederheld

Oh mein Gott! Bin rein zufällig auf der Suche nach „Dienst“ und „Benutzer“ auf Deinen Beitrag gestoßen (k.A. warum der mir nicht schon früher aufgefallen ist …).
Ich habe Tränen gelacht!!! Danke dafür!! :smiley:

Cheers
/Jens