Bedarfsgeführte Regelung für Brennwertheizungen - Teil 2

Hier Teil 2 meines Konzepts unter Berücksichtigung einiger Kommentare aus Teil 1.
Zu Ziele und Zielgruppe s. am Anfang von Teil 1.

Achtung: das Thema richtet sich an Nutzer, die sich bereits intensiver mit dem Thema Heizungsregelung beschäftigt haben. Es gibt einige ?, die würde ich besonders gern hier diskutieren.

Auf die dezentrale Temperaturregelung in den einzelnen Räumen gehe ich nicht weiter ein. Dafür gibt es bereits ein paar Lösungen - entweder als komplett eigenständige Geräte oder einem Mix aus Hardware für die Räume und Software für zentralen PC. Hat der/die eine oder andere hier vielleicht schon. Es geht hier also nur um den raumübergeordneten Regler - die „Haus-Zentrale“.

Da bei Gebäuden im Bestand (Altbau) eine Verkabelung schwierig, teuer bis unmöglich ist, bleibt nur eine Funklösung. Ich persönlich gebe dabei für die Zukunft dem innovativen und inzwischen bidirektionalen EnOcean-Standard gute Marktchancen, was wiederum eine Vielfalt von Produkten und Anbietern und bei größeren Stückzahlen fallende Preise erwarten lässt.
Es dürfte auch mit KNX RF, Z-Wave oder proprietären Funklösungen realisierbar sein, wird von mir jedoch nicht mehr weiter verfolgt, da ich hersteller-neutrale Standards einsetzen und mit EnOcean-Teilen später auch noch weitere Hausautomations-Funktionen wie Beschattung, Lüftung usw. realisieren möchte.
Außerdem hat die Verwendung von EnOcean (und anderen Funklösungen) noch einen ganz anderen nicht unwichtigen Vorteil: die Elektroverkabelung des Gebäudes wird zumindest für diese Regelungsanwendung nicht angetastet - d.h. ein Elektroinstallateur ist dafür m.E. nicht erforderlich. Damit sind auch keine Probleme im Zusammenspiel von Gewerken zu erwarten. Einen PC muss man allerdings installieren können.:wink:

Die Basis-Software-Funktionen des Reglers sind bewusst sehr schlicht gehalten und damit leicht zu realisieren (eines der Ziele). Wer will, kann sie ja beliebig um weitere Funktionen ergänzen.

Jetzt zum Diagramm (s. Anhang): Zu den Blöcken 1 + 2 gibt es nicht viel zu sagen, ich beschränke mich auf Erläuterungen zu den Blöcken 3 - 6.

3 Einhaltung des Arbeitsbereichs überwachen
Anhand der Ventilstellung kann beurteilt werden, wieviel von der angebotenen Wärme im Raum tatsächlich benötigt wird.
Angestrebter Arbeitsbereich: die Ventile sollen möglichst 85%-95% offen sein (die genauen Grenzwerte sind noch zu erproben, sollten ohnehin zur Anpassung an Gebäude und Anlage einstellbar sein).
Die Ventile aller wichtigen Räume senden regelmäßig (oder bei jeder Veränderung?) ihre Ventilstellung an den übergeordneten Regler.
Wenn eines der Ventile mehr als 95% öffnet, reicht die momentan eingestellte Brennerleistung nicht aus und ist zu erhöhen.
Wenn dagegen alle Ventilstellungen unter 85% liegen, dann ist die momentane Brenner-Leistung zu hoch und kann reduziert werden.
Trifft keine der beiden Bedingungen zu passiert nichts. Die momentane Leistung kann unverändert bleiben. Sie reicht aus, um die gewünschte Raumtemperaturen zu halten.

4 Aktuellen Leistungsbedarf errechnen
Die eigentliche Funktion des Blocks ist ganz einfach, nur eine simple Formel.
Aktueller Leistungsbedarf [relativ in %, nicht in kW] = Summe über alle Räume (Raumfaktor * Ventilstellung [in %])
Es wird davon ausgegangen, dass bei einer Auslegung auf z.B. -14° alle Ventile voll offen sind und volle Leistung des Brenners (also 100%) gerade so ausreicht, um das Gebäude auf z.B. 21° zu bringen. Der Raumfaktor für den jeweiligen Raum soll der Leistung des jeweiligen Heizkörpers entsprechen. Die Summe aller Raumfaktoren für das gesamte Gebäude ist 1.
@Heizungsfachleute: Da die meisten Nutzer das nicht wissen werden, wäre zu überlegen, ob man grob näherungsweise auch m² des Raumes im Verhältnis zur gesamten Wohnfläche als Raumfaktor nehmen kann. Ich weiß, das ist nicht korrekt, aber besser als kein Raumfaktor oder? Gäbe es eine andere Alternative?

5 Wärmebedarf ermitteln
Teilt sich auf in 4 verschiedene Fälle.

5.1 Bedarf unter Modulationsgrenze
Wenn Mindest-Laufzeit erfüllt, dann ist der Brenner abzuschalten, Leistung = 0%
Eine Sperrzeit-Uhr (einstellbarer Parameter) ist zu starten, evtl. noch Pumpennachlauf abhängig von momentaner Rücklauf-Temperatur? (T-RL).

5.2 Bedarf für niedrige T-RL
T-RL ist ≤ 35° (einstellbarer Parameter)
Brenner kann sofort gestartet werden, in 4 errechnete Leistung als neues Soll an 6 (Leistungsregler) senden (auch wieder relativ, in %).
evtl. kurzer Pumpenvorlauf?

5.3 Bedarf für mittlere T-RL
T-RL ist > 35° und ≤ 45° (einstellbare Parameter)
Wenn Sperrzeit abgelaufen, dann in 4 errechnete Leistung als neues Soll an 6 (Leistungsregler) senden (in %).
evtl. kurzer Pumpenvorlauf?

5.4 Bedarf für hohe T-RL
Dieser Fall sollte nur an kalten Tagen vorkommen.
Ist T-RL schon oberhalb der Brennwertgrenze (45°, einstellbarer Parameter), dann scheint momentane Leistung nicht auszureichen. Es könnte aber auch nur ein kurzzeitiger Spitzenbedarf sein, also Leistung halten?
Oder Reduzierung auf Minimumleistung des Brenners, damit man wieder in den wirtschaftlichen Brennwertbetrieb kommt?
Erst nach einer weiteren Sperrzeit soll Leistung auf in 4 errechnete erhöht werden, aber max. bis zu einer zweiten Grenze von T-RL = 55° (einstellbarer Parameter). Dann sollte Zwangsabschaltung erfolgen und Sperrzeit neu gestartet werden.
Pumpe soll zur Nutzung der Restwärme nachlaufen.

6 Leistungsregler
Ein PI-Regelfunktion, die nur dazu dient, einen möglichst schnellen Übergang vom bisherigen Leistungs-Soll (was jetzt zum Ist wird) auf das neue Leistungs-Soll zu erreichen. Ein kurzes leichtes Überschwingen wird dazu notwendig sein.
Je nach Eigenschaften des verwendeten Brennwert-Gerätes und dessen interner Kesselregelung ist dieser PI-Regler u.U. überflüssig?
In diesem Fall kann der neue Leistungswert direkt zum Aktor gesendet werden. Vorher je nach Aktor ggf. von 0-100% auf 0-255 umzurechnen.

Fazit: Das Brennwertgerät bekommt also den Leistungsbedarf gleitend (kein an/aus wie bei Wärmebedarfsrelais) von dem raumübergordneten Regler vorgegeben und bestimmt ihn nicht selbst! Eine witterungsgeführte Vorlauftemperaturregelung ist überflüssig. Einstellung von Heizkurven oder Kennfeldern ebenfalls.

Benötigte Komponenten
Und nun endlich für die :loveips: Fans und Bastler hier :wink:
a) Der übergeordnete Regler kann auf einem Mini-PC, embedded PC, Netbook o.ä. laufen. Soll selbst möglichst wenig Leistung im laufenden Betrieb verbrauchen (muss ja rund um die Uhr laufen). Ein Display und Bedienung ist eigentlich nur zur Installation und bei Störungssuche erforderlich. Selbstverständlich kann diese „Haus-Zentrale“ auch für andere Hausautomations-Funktionen genutzt werden.
b) Für alle wichtigen Räume Heizkörper-Stellantriebe, die ihre Ist-Ventilstellung in 0-255 bzw. 0-100% per Funk melden können.
Z.B. von Kieback&Peter MD15-FTL. Er hat auch einen eingebauten Temperatur-Sensor und (abschaltbaren) Regler. Soll-Temperatur muss von außen kommen. Ich vermute weitere EnOcean-Komponenten dieser Art werden folgen. Spätestens auf der ISH 2011 …
Mit anderen von z.B. ELV oder selbst modifizierten elektronischen Thermostaten könnte es auch gehen, wäre dann aber proprietär oder etwas für die Elektronikbastler hier.
c) Ein bidirektionales Funk-Gateway (USB- oder Ethernet-Schnittstelle)
d) Ein Funk-Aktor für 0-10V Output
e) Eine 0-10V Schnittstelle am Brennwertgerät. Dieses muss auf externe Leistungsvorgabe umstellbar sein. Alternativ muss der Anschluss für den Außentemperatur-Fühler geeignet „manipuliert“ werden.
f) Einen Temperatursensor für die Rücklauf-Temperatur des Heizkreises, entweder per Funk eingebunden oder per Kabel, da hier nur einfache Zweidraht-Leitung erforderlich.
g) Eine konfigurierbare Software für obige Regelfunktionen. Da soll es ja schon was geben … :smiley:
In der Basis-Version ohne großartige Anzeigen, da es im laufenden Betrieb nichts zu bedienen gibt. Wer Daten aufzeichnen und auswerten will, braucht natürlich mehr.

Pro „wichtigem“ Raum je nach Anforderungen an Komfort und Zuverlässigkeit
h) Bediengerät pro Raum mit Temperatur-Sensor und Sollwert-Steller. Wobei letzteres auch über den Mini-PC erfolgen kann (dann muss natürlich Display aktivierbar sein).
i) Einen Regler/Regelfunktion pro Raum. Dies kann z.B. der MD15-FTL oder ein Regler in einem Raumbediengerät sein (zuverlässiger, da unabhängig von Mini-PC) oder auch in dem Mini-PC realisiert werden.

Hinweis für die Freaks: Informationen zu Block 2 findet man in den EnOcean Equipment Profiles
Es gibt dazu noch ein neues, für dieses Konzept hier sehr wichtiges Profil EEP 07-20-01 für Heating Valve Actuators (bidirektional, arbeitet also als Sensor und Aktor). Kann der MD15-FTL. In Byte DB_3 wird die aktuelle Stellung des Ventils in 0…100% gesendet, in Byte DB_1 die Ist-Temperatur (so man sie denn nutzen will). Umgekehrt kann man dem Actuator Soll-Werte senden.

Ufff, schon wieder so lang geworden - aber diesmal hoffentlich verständlicher?
Hiermit eröffne ich die Diskussion zu Teil 2. Bitte sachlich bleiben und konstruktive Kritik üben.
gollo

P.S. Durch diese und andere frühere Veröffentlichungen ist der „gollo-Regler“ nicht patentfähig. Das ist Absicht. Das Regelprinzip kann damit nicht monopolistisch genutzt oder gar weggeschlossen werden. Wenn es denn zusagt: kopieren oder nachahmen ist ausdrücklich erwünscht!
Möge jeder das Beste für sich daraus machen - abhängig von Gebäude, heutiger Anlage und Geldbeutel.